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31.08.2019–27.03.2020
Das Hotel Baia Turchese liegt entrückt und zeitlos an der Küste Lampedusas, in strahlendem schläfrigen Nachmittagslicht, graphisch komponiert, beinahe wie gemalt – das gleißende Leuchten Hockneys kommt in den Sinn.
Claus Rottenbacher porträtiert in der fotografischen Serie Land of Promise eine Insel außerhalb von Raum und Zeit – zumindest auf den ersten Blick. Lampedusa, entrückte pelagische Insel, ist das Tor Europas. Der südlichste Punkt des Kontinents, zwischen Sizilien und Tunesien gelegen, 80 Seemeilen von Sfax an der tunesischen Küste entfernt. Sehnsuchtsort und tödliche Grenze fallen in eins: auf Lampedusa konzentrieren sich die Migrationskonflikte der komplexen politischen Gegenwart auf 20,2 km².
Der Berliner Fotograf arbeitet gewöhnlich analog. Jedes einzelne Bild wird sorgfältig komponiert, der Prozess des Fotografierens, des sich Einlassens auf sein Sujet, benötigt viel Zeit. Für Land of Promise jedoch wählt er eine neue Strategie. 2018 fotografiert er innerhalb von 10 Tagen Ansichten der Insel, so schnell wie ihn sein Motorroller trägt, mit einer Digitalkamera. So ist sein Blick beweglich und nah am Sujet; die Fotografien zeichnen ein dichtes, atmosphärisches Bild der Insel.
Auch in diesem Arbeitsprozess steckt sehr viel Zeit, denn seit 2003 reist Claus Rottenbacher jedes Jahr nach Lampedusa. All diese Jahre brauchte der Fotograf, um seinen ganz eigenen Blick auf die globalen Themen Flucht und Migration zu finden. Mit sensibler Hand und großer gedanklicher und formaler Beweglichkeit zeigt Claus Rottenbacher die Insel abseits stereotyper Medienbilder und romantisierender Urlaubsansichten: nie plakativ oder voyeuristisch, durchdringt die Betrachter*in das Sujet meist auf den zweiten Blick.
Die Sujets werden in Land of Promise selten frontal ins Bild gesetzt; meist wählt Rottenbacher Rück- und Unteransichten oder diagonale Kompositionen. So auch in der Fotografie eines christlichen Kreuzes, in blaue Folie gehüllt, verschnürt wie ein Paket, mit groben Seilen stabil zusammengehalten. Hinter dem Kreuz, ganz klein, sieht man die Spitze der Kirche, der es geschenkt wurde. Und wieder der gleißend blaue Himmel, Hauptprotagonist der Serie. Schon am nächsten Tag war es enthüllt, das Geschenk von Papst Franziskus an die Gemeinde, in Angedenken an das größte Bootsunglück der Geschichte Lampedusas am 3. Oktober 2013: Vor der Küste der Insel sank ein Kutter mit etwa 545 flüchtenden Menschen aus Somalia und Eritrea. 366 Menschen starben, 155 konnten gerettet werden. Die Zahlen sind Schätzungen.
Wir reisen mit dem Fotografen auf seinem Roller über die Insel und bleiben an Details hängen, die mit großen und kleinen Narrativen aufgeladen sind. Das Schild des Beachclubs Parallelo deutet an: wir bewegen uns ständig in Paralleluniversen. Urlaub und Flucht operieren beide mit Sehnsucht als menschlicher Grundemotion. Sehnsucht aus existentieller Not – Hoffnung –, und Sehnsucht aus Überfluss – Eskapismus. Proteggere le persone non i confini, so liest es sich, die Farbe bereits abgeblättert, an einer Wand der Via Punta Favaloro: Schützt die Menschen, nicht die Grenzen. Eine Innenansicht aus einem kleinen Insel-Kiosk mit Konditorei zieht den Betrachter unmittelbar ins bunte und ungeordnete Interieur hinein: die glänzenden Torten wecken Erinnerungen an Italienurlaube, die universal funktionieren. Oder möglicherweise doch nicht? Aus welcher Perspektive schauen wir? Und wer ist wir? Diese Fragen schwingen in der Betrachtung von Land of Promise subtil mit.
Erstmals ist in Claus Rottenbachers Werken auch ein einzelner Mensch zu erkennen: ein Street Food-Truck mitsamt Verkäufer, neonbeleuchtet und grell beschriftet, im staubigen Abendlicht. New Generation und Cornucopia versprechen Fast Food für eine neue Generation. Cornucopia ist italienische Süßspeise und zugleich lateinisch für das Füllhorn, ein mythologisches Symbol für Glück, Fruchtbarkeit, Reichtum und Überfluss.
Scheinbar unvereinbar, und doch existiert all dies auf Lampedusa nebeneinander, unter der demokratischen gleißenden Sonne, auf der Insel, die in all ihrer Kargheit zu einem Symbol geworden ist: Versprechen, Flucht, Schiffsfriedhöfe, Sonnensuchende und süditalienische Süßigkeiten.
Text: Celina Basra
Roland Wirtz widmet seine künstlerische Arbeit dem Prinzip der Unmittelbarkeit der fotografischen Abbildung. Seine Arbeiten als Fotografie zu beschreiben, greift allerdings zu kurz. Im Zeitalter digitaler Bildgenerierung schafft Wirtz physische Abbilder von Ereignissen und Orten und erschließt mit seiner Vorgehensweise ein Grenzgebiet zwischen Film, Fotografie, Skulptur und Denkmal.
Mit Hilfe seiner selbst konstruierten Kameras werden die Sujets direkt auf Fotopapier belichtet. Kein Negativ, keine digitale Nachbearbeitung, kein zweiter Versuch, keine Abzüge. Die reflektierten und emittierten Photonen der Bildmotive prägen sich direkt in den am Ort des Geschehens befindlichen Bildträger Ilfochrome, der praktisch zu einem „Gefäß für das Licht jenes Tages“ wird.
Ilfochrome-Fotopapier, früher Cibachrome, galt seit den 1960iger Jahren als das lichtechteste Fotoverfahren überhaupt. 2013 wurde die Produktion bei Ilford Imaging Switzerland eingestellt – eine Folge der digitalen Revolution. Roland Wirtz setzt seine letzten Vorräte des legendären Fotopapiers ein.
Wir kaschieren die Werke von Roland Wirtz bereits seit einigen Jahren und freuen uns bisher unveröffentlichte Werke aus seinem Oevre zu zeigen.
Sonntag, 26.08.2018
11.00–12.00 Uhr
Empfang für die Auftaktveranstaltung der offenen Ateliers im Aufgang 37 a im „Lakshmi Studio“. Es sprechen die Künstler, Herr Kotowski vom BBK Berlin und der Vermieter. Die Höfe bekommen einen Namen!
12.00–20.00 Uhr
Besuchen Sie die Künstler in ihren Arbeitsräumen! Es gibt in jedem Aufgang etwas zu entdecken!
Unter dem Titel ADAPTER starteten im Jahr 2009 Gabriele Worgitzki und Jörn Gerstenberg ein zeichnerisches Experiment. Sie probierten die Kombination zweier komplett verschiedener Zeichenstile und Motive auf einer Fläche. Ihr Projekt des kooperativen Zeichnens entwickelte sich seitdem von kleinformatigen Zeichnungen auf Papier hin zu raumgreifenden Wandarbeiten. Die neueste Wandzeichnung von ADAPTER entstand auf einer Wandfläche in einer Werkstatt für Fotografie. Anlässlich der Präsentation dieser Arbeit werden in den Räumen der Firma KASCHIERUNGBERLIN auch Soloarbeiten von Gabriele Worgitzki und Jörn Gerstenberg zu sehen sein.
In den Räumen der Kaschierungberlin zeigt der Fotograf Wolfram Hahn großformatige Farbabzüge aus der insgesamt einhundert Motive umfassenden Fotoserie, die im Jahr 2014 entstanden ist.
Die Fotoserie Plastic Bags des Berliner Fotografen Wolfram Hahn zeigt die vielgestaltigen Variationsformen eines allgegenwärtigen Objektes: der einfachen, monochromen Einkaufstüte. Vom Fotografen gesammelt auf unzähligen Streifzügen durch die urbane Landschaft Berlins, erschließen die abgebildeten Plastiktüten einen Mikrokosmos, den wir gewöhnlich nicht beachten, obwohl er sich direkt unter unseren Augen entfaltet. Die standardisierte Tüte entwickelt – den Einwirkungen von Wetter, Verkehr und Umwelt ausgesetzt – individuelle Entitäten, deren Formenreichtum und überraschende Ästhetik beeindruckend sind.
Die Art der Inszenierung der Tüten in den Aufnahmen Hahns referiert auf die naturwissenschaftliche Dokumentation von Tier- und Pflanzenarten vor weißem Hintergrund. Hahn verfolgt damit im übertragenen Sinne einen archäologischen Ansatz. Wie ein Naturforscher erkundet er die unscheinbaren Tiefenschichten der städtischen Umwelt und findet beredte Zeugnisse der in ihr wirkenden Kräfte. Das Material erfährt unter den Umwelteinflüssen eine „potentielle Explosion jeder Form“, welche „die Dynamik des Lebenden“ widerspiegelt, wie es die französische Philosophin Catherine Malabou in ihrem Begleittext zum Katalog zu Hahns Fotoserie (Draussen Dehors Outside, erschienen im Vexer Verlag, 2015) treffend formuliert hat.
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